Echtes Johanniskraut - Hypericum perforatum
Die anerkannte medizinische Anwendung von Johanniskraut ist die Behandlung von leichten depressiven Störungen oder leichten bis mittelschweren depressiven Episoden. Es werden Arzneimittel mit standardisierte Extrakten verwendet. Die Effekte treten verzögert innert zwei bis vier Wochen ein.
Johanniskraut hat ein hohes Potential für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Hypericum perforatum (syn. Hypericum officinarum, H. officinale, H. vulgare);
Echtes Johanniskraut (syn. Herrgottsblut, Tüpfel-Hartheu).
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VORKOMMEN
Das Johanniskraut ist in Europa, Westasien und Nordafrika heimisch. Hypericum perforatum ist bei uns in Wiesen, am Böschungen und in lichten Wäldern verbreitet. In mageren Wiesen breitet sich die Pflanze dann aus, wenn diese nicht regelmässig gemäht werden. Das alte Heilkraut ist eine interessante und schöne Pflanze und gehört in jeden Naturgarten. Bei mir im Garten wächst es an eher trockenen Stellen in Begleitung von Schöllkraut, Thymian, Rosmarin, Schwalbenwurz, Malven und Goldrute.
MERKMALE
Das echte Johanniskraut erreicht Wuchshöhen von bis zu 1 Meter. Es ist
eine ausdauerne Pflanze mit astigen Wurzeln. Der Stengel ist stielrund
mit 2 Längskanten. Die Blätter sitzen elliptisch-eiförmig oder sind
kurzgestielt. Die Blätter sind durchscheinend punktiert, am Rande mit
schwarzen Drüsen.
Die Blüten sind goldgelb mit schwarzen Punkten oder Strichen.
Die Blüte sitzt auf einem schwarzdrüsigem Stiel, in einem trugdoldigen
Blütenstand. Die Frucht ist breit bis schmal eiförmig, mit Drüsen.
DROGEN (verwendete Pflanzenteile)
Hyperici flos recens (syn. Flores Hyperici recentes); Frische Johanniskrautblüten.
Hyperici herba (syn. Herba Hyperici, Hypericum cum flore, Sumitates Hyperici); Johanniskraut (syn. Feldhopfenkraut, Tüpfelhartheu).
WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE
Naphthodianthrone:
Johanniskraut enthält durchschnittlich 0.1 - 0.3 %
Naphthodianthrone, darunter Hypericin, Pseudohypericin, Protohypericin,
Protopseudohypericin, Cyclohypericin und Skyrinderivate. Diese sind
vor allem in den Exkretblättern der Blüten und Knospen lokalisiert.
Flavon- und Flavonolderivate:
Nachgewiesen wurden 2 bis 4 % Flavonoide, vorwiegend
Quercetinglykoside mit Hyperosid (ca. 0,7 %), Quercitrin (ca. 0,3 %),
Rutosid ca. (0,3 %) und Isoquerictrin (ca. 0,3 %) als Hauptkomponenten.
Ferner die Aglyka Quercetin, Kämpferol, Luteolin und Myricetin sowie
Biflavone wie I3,II8-Biapigenin, Amentoflavon.
Phloroglucinderivate:
Hauptsächlich Hyperforin 2 bis 4 % (HPLC) neben wenig
Adhyperforin. Der Hyperforingehalt ist am höchsten in reifen Früchten
(etwa 4,5 %), Adhyperforin wurde in einer erheblichen Menge von ca.
1,8 % in Früchten nachgewiesen.
Xanthone:
In der Droge wurden etwa 2-4 % gefunden, vor allem
1,3,5-trioxygenierte Xanthone und Xanthanolignoide, wie z.B. Kielkorin
und 1,3,6,7-Tetrahyroxyxanthon.
Ätherisches Öl.:
Durch Wasserdampfdestillation lassen sich bis ca. 1 %
ätherisches Öl aus der Droge gewinnen. Hauptbestandteile sind höhere
n-Kohlenwasserstoffe insbesondere 2-Methyloctan, Undecan und Dodecanol
sowie Mono- und Sesquiterpene mit α-Pinen und Caryophyllen als
Hauptvertreter. Nachgewiesen wurde auch 2-Methyl-3-buten-2-ol, bekannt
als Abbauprodukt im Hopfen.
Procyanidine und Gerbstoffe:
Procyanidin B2. Gerbstoffe: Verbindungen vom Catechin-Typ, Gehalt 6,5-15 %.
Weitere Bestandteile:
Wachse (Paraffine und Wachsalkohole), Pflanzensäuren (Kaffee-
und Chlorogensäure), Cholin und Spuren von Alkaloiden. Ein weiterer
bedeutsamer Inhaltsstoff ist mit bis zu 7,2 % Gehalt im ätherischen Öl
das Sesquiterpen Spathulenol.
PHARMAKOLOGIE
Standardisierter Johanniskrautextrakt erhöht durch eine
Wiederaufnahmehemmung der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin
deren Konzentration an den Synapsen. Die Wirksamkeit der Extrakte ist
mit der von synthetischen Antidepressiva wie Sertralin (SSRI), bzw. Imipramin (trizyklisches Antidepressivum) durchaus vergleichbar und die Extrakte sind zudem sehr gut verträglich.
Auch die Konzentration von Gamma-Aminobuttersäure (GABA),
Dopamin und L-Glutamat steigt an, was in dieser Form kein
synthetisches Antidepressivum vermag. In der Folge vermindert sich die
Anzahl der noradrenergen β-Rezeptoren, ausserdem bewirkt es eine
Downregulation der 5-HT2-Rezeptoren.
Lange Zeit galt Hyperforin als Hauptwirkstoff des
Krautes. Heute gilt es als sicher, dass neben Hyperforin auch Hypericine,
Flavonoide und die Biflavone zur Wirksamkeit der
Johanniskraut-Extrakte beitragen. Zur Zeit ist also davon auszugehen, dass Extrakte als Ganzes das wirksame antidepressive Prinzip darstellen, und dass die Wirkung nicht auf einzelne Inhaltsstoffe reduziert werden kann. Heute weiss man, dass die Extrakte sich umso wirkungsvoller zeigen, je lipophiler die Inhaltsstoffe sind.
Für schwere bzw. chronisch verlaufende Depressionen sind praktisch keine positiven Effekte von Johanniskraut beschrieben. Eine Behandlung nur mit der Heilpflanze alleine ist in diesen Fällen gefährlich, denn es besteht erhöhte Suizidgefahr.
ANWENDUNG
Anerkannte medizinische Anwendung
- innerlich:
psychovegetative Störungen, depressive Verstimmungszustände, Angst und/oder nervöse Unruhe; ölige Johanniskraut-Zubereitungen bei dyspeptischen Beschwerden; - äusserlich:
ölige Johanniskraut-Zubereitungen zur Behandlung und Nachbehandlung von kleinen Wunden, bei Myalgien (Muskelschmerzen) und Verbrennungen 1. Grades.
Die ESCOP definiert die Anwendung wie folgt:
- leichte depressive Störungen oder leichte bis mittelschwere depressive Episoden entsprechend ICD-10.
Vom HMPC wurde das Johanniskraut für die Behandlung leichter und mittelschwerer Depressionen sowie zur kurzzeitigen Behandlung depressiver Störungen als „medizinisch allgemein anerkannt" beurteilt.
Weitere Anwendungen
Wichtig: Johanniskraut ist kaum in der Lage Angst -oder Panikstörungen zu lindern! Für diese Anwendungen ist die Passionsblume oder der Lavendel besser geeignet.
Hypericum perforatum wird auch in Gelen gegen Muskel- und Gelenkschmerzen angewendet, of in Kombination mit z.B. Beinwell, Ringelblume, Echinacea und Pfefferminze.
ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG
Hauptsächlich in Form standardisierter Extrakte
in Fertigarzneimitteln (z.B. Jarsin®, Rebalance®, Remotiv®,
Ceres®, Hyperiforce®) zur Behandlung leichter bis mittelschwerer
depressiver Verstimmungen.
Die Arzneimittel werden regelmässig ein-
bis dreimal täglich mit bzw. nach den Mahlzeiten eingenommen. Die
antidepressiven Effekte treten verzögert innert zwei bis vier Wochen
ein. Konsultieren sie auf jeden Fall ihren Arzt oder Apotheker.
Für Kinder zwischen 6-12 Jahren gilt die Hälfte der Dosierung - und dies nur unter ärztlicher Aufsicht. Die Anwendung eines selbst hergestellten Johanniskraut-Tees wird nicht empfohlen.
STATUS
- Kommission E: - positive Bewertung
- ESCOP: - positive Bewertung
- HMPC: - Johanniskraut wird als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (Hyperici herba)
WECHSELWIRKUNGEN
Lange Zeit galten Hypericumpräparate als fast völlig frei von Nebenwirkungen, bis 1999 erste Berichte über die zum Teil erhebliche Abschwächung der Wirksamkeit von Cyclosporin, Amitriptylin und Digoxin erschienen sind.
Die Ursache dieser zum Teil schwerwiegenden Wechselwirkungen sind auf die Induktion Cytochrom-P-450-abhängiger, arzneistoff-metabolisierender Enzyme (CYP3A4, CYP1A2) sowie die Induktion des Transportproteins P-Glycoprotein (PGP) zurückzuführen.
So kann Johanniskraut zum einen die Elimination anderer Arzneistoffe beschleunigen und die Wirksamkeit von anderen Stoffe vermindern. Auch die Serotonin-Konzentration in bestimmten Teilen des ZNS kann Johanniskraut erhöhen, sodass es zu toxischen Konzentrationen kommen kann, vor allem bei Kombination mit Antidepressiva (SRI oder SSRI).
Relevante (schwerwiegend, mittelschwer) Interaktionen:
Kombination von Johanniskrautextrakt mit
- Immunsuppressiva (Ciclosporin, Tacrolimus, Sirolimus)
- Anti-HIV-Arzneimittel ( Indinavir, Nevirapin)
- Hepatitis-C-Virustatika (Daclatasvir, Elbasvir/Grazoprevir)
- Zytostatika (mit Ausnahme von monoklonalen Antikörpern) wie Imatinib od. Irinotecan
- Antikoagulanzien (Phenprocoumon, Warfarin)
- Hormonelle Kontrazeptiva
- Andere Antidrepessiva
- Antimykotika (Isavuconazol)
- Verminderte Wirkung von Theophyllin, Digoxin, Ivabradin, Verapamil, Simvastatin, Midazolam (pharmakokinetisch-antagonistische Wechselwirkung)
- Wirkungsverstärkung von Antidepressiva vom SRI- bzw. SSRI-Typ wie Paroxetin, Sertralin, Trazodon (Serotoninsyndrom - pharmakodynamisch-synergistische Wechselwirkung)
- Verstärkung phototoxischer Wirkungen bei gleichzeitiger Behandlung mit anderen Arzneimitteln, die photosensibilisierend wirken.
Das Interaktionspotential Hyperforin-armer Extrakte wird als geringer angesehen.
HOMÖOPATHIE
Hypericum perforatum - Johanniskraut (Hypericum)
Anwendungsgebiete: Verletzungen des zentralen und peripheren Nervensystems; Verstimmungszustände.
JOHANNISKRAUT IM GARTEN
Das Johanniskraut ist eine anspruchslose und dekorative Staudenpflanze. Für nährstoffarme Wildgärten ist es besonders gut geeignet.
Der Anbau von Hypericum perforatum im eigenen Garten ist einfach. Am besten
die Saat in kleinen Töpfen vorkeimen lassen. Bedecken Sie diese nur
mit wenig Erde. Nach ca 10 Tagen müssen die Setzlinge pickiert werden.
Bei einer Grösse von ca. 10 cm werden die Jungpflanzen an ihren
entgültigen Standort verpflanzt.
Die Vermehrung kann neben der Aussaat auch durch Wurzelteilung
(Herbst) älterer Pflanzen vorgenommen werden. Mann kann auch die
Ausläufer lösen, die sich auf der Mutterpflanze bilden und diese neu
pflanzen. In meinem Heilpflanzengarten erhält sich das Johanniskraut
von alleine.
Das echte Johanniskraut stellt keine besonderen Ansprüche an den Boden, liebt es jedoch kalkhaltig. Nur Staunässe muss vermieden werden.
Die mehrjährige Heilpflanze ist winterhart und bleibt (ohne besonderen Schutz) das ganze Jahr im Garten.
Knospen, Blüten und Zweigspitzen des Krautes werden ein- bis zweimal pro Jahr während der Blütezeit geerntet. Anschliessend wird das Erntegut im Schatten bei max. 40 °C getrocknet.
Bei mir im Garten wächst das Johanniskraut an eher trockenen Stellen in Begleitung von Schöllkraut, Thymian, Rosmarin, Schwalbenwurz, Malven und Goldrute.
SONSTIGES
Das auffallende Johanniskraut heisst unter anderem "Hartheu", weil ihre Stengel derb und hart sind. Die Namen Johannis- und Sonnwendkraut beziehen sich auf die Blütezeit.
Letzte Änderung: 10.04.2024 / © W. Arnold