Echter Baldrian - Valeriana officinalis


Der wirksame Bestandteil des Baldrians ist die Wurzel. Aus dieser werden verschiedene Zubereitungen hergestellt. Anerkannte medizinische Anwendungen sind Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen. Baldrian gehört heute zu den meistgenutzten pflanzlichen Beruhigungsmitteln. Präparate aus Baldrian haben nur selten Nebenwirkungen und machen nicht süchtig.

Baldrian (syn. Echter Baldrian, Arzneibaldrian, Gemeiner Baldrian, Katzenbaldrian, Katzenkraut).

Die Baldriane sind eine Sammelart, die sich durch grosse Vielfalt an Formen, Varietäten und Unterarten auszeichnet.

Echter Baldrian in voller Blüte

weitere Bilder:

Valeriana officinalis Baldrianpflanze  mit Insekt Mehrere  Baldrianpflanzen Gruppe von Baldrianpflanzen

VORKOMMEN

Der Echte Baldrian kommt in ganz Europa vor. Die Pflanze ist frostbeständig und gedeiht in Sonne oder Halbschatten in fast jedem Boden. Die Vermehrung erfolgt durch Samen oder Teilung grösserer Pflanzen. Als Feuchtbodenpflanze verträgt er auch gelegentliche Ueberschwemmungen und ist daher in der freien Natur häufig auf Wiesen entlang von Gewässern oder feuchten Standorten zu finden. Die alte Heilpflanze gehört in jeden Naturgarten.

MERKMALE

Valeriana officinalis ist eine ausdauernde krautige Pflanze mit einem unterirdischen Wurzelstock als Überdauerungsorgan. Die Pflanze erreicht eine Höhe von bis zu 2 Metern. Der Stengel ist einfach und hohl. Die Blätter sind gefiedert und etwa 20 Zentimeter lang. Die Blüten sind zu einer ausgedehnten Doldentraube vereint, die sich am Ende der Stengel befindet. Sie besitzen einen Durchmesser von 4 bis 5 Millimeter und sind hellrosa bis weiss gefärbt und entfalten einen starken süsslichen Geruch. Die Blütezeit des Baldrians reicht von Mai bis Juli.

DROGEN (verwendete Pflanzenteile)

Valerianae radix (syn. Radix Valerianae, Rhizoma Valerianae);
Baldrianwurzel (syn. Katzenwurzel), die unterhalb 45 °C sorgfältig getrockneten unterirdischen Organe.

WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE

Ätherisches Öl:
Die Droge enthält im Durchschnitt 0.3 bis 1 % ätherisches Öl mit einen charakteristischen Geruch, der unter anderem von geringen Mengen an Isovaleriansäure (durch Zersetzen der Valepotriate) verursacht wird.
Bis heute sind über 100 Inhaltsstoffe nachgewiesen worden, die wichtigsten sind Monoterpene, wie z. B. Bomeol, Bomylacetat, Bomylisovalerat, Camphen, Campher, Carvylacetat, 1,8-Cineol, p-Cymen, Fenchen, Myrcen, Myrtenol, und Sesquiterpene, wie z. B. β-Bisabolen, y-Cadinen, β-Elemen, Faurinon, Valeranon, Valerenal, Valerenol, E/Z-Valerenylacetat, E/Z-Valerenylisovalerat, sowie den schwer flüchtigen Sesquiterpensäuren Acetoxyvalerensäure, Hydroxyvalerensäure und Valerensäure.

Phenolcarbonsäuren:
Chlorogensäure, Kaffeesäure und bis zu 2 % trans-Hesperidinsäure (= Isoferulasäure). Die Hesperidinsäure findet sich nur in der offizinellen Baldrianwurzel und eignet sich daher vorzüglich als Leitsubstanz für wässrige Valeriana-officinalis-Auszüge.

Valepotriate:
Schonend getrocknete Droge enthält bis zu 2 % Valepotriate mit Valtrat als Hauptkomponente. Der Gesamtgehalt an Valepotriaten hängt unter anderem von den Anbaubedingungen, dem Erntejahr, der Trocknungsart und den Lagerbedingungen ab. Neben Valtrat kommen noch in kleineren Mengen Acevaltrat (ca. 1 % des Gesamtgehaltes), Didrovaltrat (bis zu 5 %), 7-Epideacetylisovaltrat, Isovaltrat, IVHD-Valtrat (bis zu 20 %), Valechlorin, Valeridin und ein Glykosid (Valerosidatum).
Valepotriate haben mutagene Eigenschaften, deshalb werden die besonders valepotriatreichen Sorten wie Valeriana edulis und Valeriana wallichii heute nicht mehr zur Herstellung von Arzneidrogen bzw. Extrakten verwendet.

Baldrian: Inhaltsstoffe

Neu identifizierte Inhaltsstoffe:
Das Flavonderivate 6–Methylapigenin und Biapigenin sind entdeckt worden, diese haben ebenfalls eine hohe Affinität zur Benzodiazepinbindungsstelle des GABA-Rezeptors. Das Flavonoid Linarin hat sedierende Wirkung und könnte ebenfalls zur Wirkung beitragen.
Eine weitere Entdeckung ist das hydrophile Lignan Olivil, welches mit hoher Affinität an Adenosin-A1–Rezeptoren bindet. Im menschlichen Organismus besitzt Adenosin eine Schlaf fördernde Wirkung, welche über Rezeptoren-Bindung zustande kommt. Bei anhaltend hoher Aktivität des Gehirns akkumuliert Adenosin, wirkt sedierend und schützt so das Gehirn vor Überlastung. Dieser Adenosin-A1–Rezeptor vermittelte Effekt von Baldrian steht als Wirkmechanismus zur zeit im Vordergrund.

Das Alkaloid Actinidin ist der Grund, weshalb Baldrian ein Lockstoff für Katzen ist, ähnlich wie Katzenminze.

PHARMAKOLOGIE

Den Pharmakologen ist es bisher nicht gelungen die wirksamkeitsbestimmenden Substanzen der Baldrianwurzel eindeutig zu bestimmen.
Die Wirksamkeit verschiedener Extrakte wurde in zahlreichen klinischen, kontrollierten Studien untersucht. Die Ergebnisse sind aber nicht einheitlich. Besser angelegte Studien könnten den derzeitigen Wissensstand erheblich verbessern.

In Fertigarzneimitteln sind die im Baldrian enthaltenen Valepotriate kaum oder nur in geringen Mengen vorhanden. Ihnen wird eine erbgutschädigende Wirkung nachgesagt. Die Verwendung von Fertigpräparaten ist deshalb den selbst zubereiteten vorzuziehen.

ANWENDUNG

Anerkannte medizinische Anwendung (Kommission E):

  • Wirkungen: Beruhigend, die Schlafbereitschaft fördernd.
  • Anwendungsgebiete: Unruhezustände, nervös bedingte Einschlafstörungen.
  • Gegenanzeigen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen: Keine bekannt.
  • Dosierung:
    Soweit nicht anders verordnet:
    Infus: 2-3 g Droge proTasse 1- bis mehrmals täglich.
    Tinktur: 1/2-1Teelöffel voll (1-3 ml) 1- bis mehrmals täglich.
    Extrakte: entsprechend 2-3 g Droge 1-bis mehrmals täglich.
    Äussere Anwendung: 100g Droge für ein Vollbad, Zubereitungen entsprechend.
  • Art der Anwendung:
    Innerlich: als Pflanzenpresssaft, Tinktur; Extrakte und andere galenische Zubereitungen.
    Äusserlich: als Badezusatz.

Auch die ESCOP burteilt die Droge positiv, mit sehr änlicher Begründung wie die Kommssion E.
Baldrianwurzel wurde vom HMPC für die Anwendung zur Besserung leichter nervöser Anspannung und bei Schlafstörungen akzeptiert.

Schlaflosigkeit bzw. nervöse Erschöpfung sind die Hauptanwendungsgebiete für die Droge. Für diese Indikationen liegen diverse Wirksamkeitsnachweise (kontrollierte klinische Studien) vor, zum Teil aber mit widersprüchlichen Ergebnissen.

Valeriana officinalis ist ein wichtiges pflanzliches Beruhigungsmittel und wird oft kombiniert mit anderen beruhigend wirkenden Heilpflanzen, wie Melisse, Hopfen oder Passionsblume, manchmal auch mit Johanniskraut. Auch in Herz- und Kreislauftees wird die Wurzel gerne angewendet, hier meist in Kombination mit Lavendel, Pfefferminze, Rosmarin, Weissdorn, Herzgespann oder Bitterorange.

In der Schweiz sehr bekannte Produkte sind die Arzneimittel von Zeller® und Valverde® (Schlaf, Entspannung), Baldriparan®, Hova® und der Sidroga® Schlaf- und Nerventee. Es wird eine regelmässige Einnahme empfohlen.

Unerwünschte Wirkungen:
Möglich sind Verdauungsbeschwerden und Überempfindlichkeitsreaktionen.

Volkstümliche Anwendungen der Baldrianwurzel
Bei Schlaflosigkeit, nervöser Erschöpfung und geistiger Überarbeitung, Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit, Stress, bei Kopfschmerzen, Neurasthenie, Epilepsie, Hysterie, nervösen Herzleiden, nervösen Magenkrämpfen, Koliken, Uterusspasmen, Angst- und Spannungszuständen. Mit der Ausnahme der beiden erstgenannten Indikationen liegen dafür keine Wirksamkeitsnachweise im Sinne von kontrollierten klinischer Studien vor.

ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG

Tee: 1 Teelöffel Wurzel (3 bis 5 g) wird mit ca. 150 ml heissem Wasser übergossen und nach 10 bis 15 min durch ein Sieb gegeben. Soweit nicht anders verordnet 2- bis 3mal täglich und vor dem Schlafengehen eine Tasse frisch bereiteten Teeaufguss trinken.

Tinktur: 1 bis 3 ml ein bis mehrmals täglich.

Extrakte (Fertigarzneimittel in Form von Filmtabletten oder Dragées ).

Die Kommission E empfiehlt eine Extraktdosis entsprechend 2 bis 3 g Droge einmal bis mehrmals täglich. Diese Menge Droge entspricht ungefähr 600 mg Baldrianextrakt pro Tag. Bei Baldrianpräparaten aus der Apotheke wird diese Dosis in der Regel durch die Einnahme von ein bis zwei Tabletten bzw. Dragées erreicht.
Bei Einschlafstörungen 400 bis 900 mg Extrakt eine halbe bis 2 Stunden vor dem Schlafengehen einnehmen. Bei Unruhezuständen 300 bis 450 mg über den Tag verteilt.

Es wird eine regelmässige Einnahme und eine längere Therapiedauer von mindestens zwei Wochen empfohlen. Baldrian macht nicht abhängig.

HERSTELLUNG EINER BALDRIANTINKTUR

Nach dem Deutschen Arzneibuch 9. Ausgabe wird Baldriantinktur aus 1 Teil pulverisierter Baldrianwurzel und 5 Teilen Ethanol 70% (V/V) nach dem Verfahren der Perkolation hergestellt. So hergestellte Tinkturen garantieren eine gleichbleibende Qualität.

Wenn sie selber eine Baldriantinktur herstellen möchten, so sehen sie bitte folgendes Video (Heilkräuter.de, 8:05).

STATUS

HOMÖOPATHIE

Valeriana officinalis HAB 1; Baldrian, die bei maximal 40 °C sorgfältig getrockneten, unterirdischen Pflanzenteile.
Anwendungsgebiete: Erkrankungen des Zentralnervensystems, des Herzens, des Magen-Darm-Traktes sowie des Stütz- und Bewegungsapparates.

Valeriana officinalis wird in homöopathischen Arzneispezialitäten wie z.B. Calmedoron® Tropfen (bei Einschlafstörungen und Nervosität) kombiniert mit z.B. Hafer, Passionsblume, Hopfen und Kaffee.

BALDRIAN IM GARTEN

Echter Baldrian kann auf tiefgründigen, unkrautfreien und nicht staunassen und siebfähigen Böden angepflanzt werden. Wenn sie die Wurzel ernten möchten sind klebende oder stark humose Böden nicht geeignet. Jungpflanzen bekommen sie in jeder guten Gärtnerei.
Valeriana officinalis benötigt keine spezielle Pflege und ist relativ unkompliziert im Umgang. Er wächst sowohl an schattigen als auch an sonnigen Plätzen. Baldrian ist ohne besonderen Schutz winterhart. Um die Pflanze zu vermehren wartet man bis sich die Samen von selbst aussäen. Die Jungpflanzen so umsetzen, dass sie genügend Abstand zu anderen Pflanzen haben. Valeriana officinalis gehört zu den alten Heilpflanzen und soll in keinem Natur- oder Heilpflanzengarten fehlen.

SONSTIGES

Der Baldrian hat als Heilpflanze seit über 2500 Jahren seinen festen Platz im Arzneimittelschatz. Sein Weg in der Geschichte der Medizin lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen und belegen.

In diversen alten Schriften wird der Baldrian als Pestmittel beschrieben und taucht in diesem Zusammenhang zusammen mit Bibernelle als geweissagtes Heilmittel auf - „Esst Bibernellen und Baldrian so geht euch die Pest nicht an“

Letzte Änderung: 07.04.2024 / © W. Arnold