Gemeine Pestwurz - Petasites hybridus
Die Pestwurz wird zur unterstützenden Behandlung krampfartiger Schmerzen im Bereich der ableitenden Harnwege, besonders bei Steinleiden eingesetzt. Extrakte aus Blättern haben eine antiallergische Wirkung bei Heuschnupfen. Medikamente mit Pestwurz können auch bei Spannungskopfschmerzen helfen und gegen Migräneanfälle vorbeugen. Die Heilpflanze soll nur in Form von Fertigarzneimitteln angewendet werden, bei denen toxische Inhaltsstoffe entfernt wurden.
Petasites hybridus (syn. Petasites officinale, P. vulgaris, Tussilago hybrida);
Gemeine Pestwurz (syn. Pestilenwurz, Wasserklette).
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VORKOMMEN
Petasites hybridus ist In ganz Europa verbreitet, in Nordamerika wurde sie eingeführt. Die Pflanze ist gesellig und häufig herdenbildend. Man findet die Pflanze an Ufern von Bächen und Flüssen, an sumpfigen Stellen, feuchten Waldrändern, Waldschluchten, auf zeitweise überschwemmten Wiesen und manchmal auch auf Schutt. Die Pestwurz ist von der Ebene bis in die Berg-, seltener bis in die subalpine Stufe anzutreffen. Die Pflanze liebt tiefgründige, nährstoffreiche, tonige oder lehmige Böden.
Verwechslungen: Huflattichblätter können leicht von Pestwurzblättem unterschieden werden, weil sie meist rot überlaufene Zähne aufweisen. Verwechslungen mit anderen Pestwurzarten sind möglich.
MERKMALE
Pestwurz hat einen eigentümlichen, schwach widerlichen Geruch. Die Blüten erscheinen unmittelbar nach der Schneeschmelze. Die ausdauernde krautige Pflanze erreicht zur Blütezeit Wuchshöhen von bis zu 40 Zentimeter, zur Fruchtzeit bis 120 Zentimeter. Das kurze und knollig-knorrige Rhizom liegt senkrecht oder etwas schräg im Boden, ist ca. 4 cm dick, bräunlich, an den Gliederenden verdickt. Die rundlichen, imposanten Laubblattspreiten können bis 70 cm im Durchmesser erreichen. Die Unterseite der Blätter ist grauwollig. Die Blütenstände erscheinen zwischen März und Mai noch vor den Grundblättern. Der zusammengesetzte, traubige Blütenstand besitzt zahlreiche, dicht stehende rötlich-weisse bis rot-violette Blütenköpfe. Die männlichen Blütenköpfe werden etwa 7 bis 12 mm lang und sind etwa doppelt so gross wie die weiblichen.
DROGEN (verwendete Pflanzenteile)
Petasitidis folium (syn. Folia Petasites, Folia Petasitidis); Pestwurzblätter.
Petasitidis rhizoma (syn. Radix Petasites, Rhizoma Petasitidis); Pestwurzwurzelstock.
WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE
Seit den 60er Jahren ist bekannt, dass Petasites hybridus in zwei Chemovarietäten existiert.
Die eine (Furanopetasin-Varietät) enthält sogenannte
Furanoeremophilane und Eremophilanlactone, die in den Pflanzen des
anderen Typs nicht zu finden sind.
Diese andere (Petasin-)Varietät enthält zum Beispiel
Petasin, Neopetasin und Isopetasin. Letzteres entsteht möglicherweise
erst bei der Lagerung. Weiter sind zu finden Petasol, Neopetasol und Isopetasol.
Nur diese Petasin-Chemovarietät wird für pharmazeutische Zwecke genutzt.
Auch scheint eine Mischvarietät zu existieren,
die Petasine und Furanopetasine enthält.
PHARMAKOLOGIE
Die als Pyrrolizidinalkaloide (PA) bezeichneten Inhaltsstoffe sind Esteralkaloide, deren Grundgerüst das Necin darstellt. Als toxisch gelten Substanzen, wenn im Necingerüst zwischen Position 1 und 2 eine Doppelbindung vorliegt. In der Leber werden diese Substanzen zu Pyrrolen umgewandelt, die an DNA und RNA binden können und somit Proteinsynthese und Zellteilung beeinträchtigen. Dadurch kommt es zu Stoffwechselstörungen und Lebergewebeschäden. Pyrrolizidinalkaloide werden aus Extrakten zur Herstellung von Phytopharmaka entfernt.
ANWENDUNG
Vor Zubereitungen als Tee aus Pestwurzblättern oder -wurzeln wird
gewarnt, denn im Naturzustand enthält die Pflanze Pyrrolizidinalkaloide
mit mutagener, krebserregender und möglicherweise toxischer Wirkung auf
die Leber.
Für standardisierte Fertigpräparate jedoch werden nur
Pflanzen aus kontrolliertem Anbau einer pyrrolizidinalkaloidarmen
Chemovarietät verwendet; darüber hinaus werden verbliebene
Pyrrolizidinalkaloid-Restmengen durch spezielle Extraktionsverfahren
weitgehend entfernt.
Heute werden Pestwurzextrakte in verschiedenen Phytopharmaka eingesetzt, wobei die spasmolytische Wirkung auf die glatte Muskulatur im Vordergrund steht. Dazu werden bevorzugt Extrakte aus dem Rhizom verwendet. Indiziert sind sie z. B. bei Spasmen des Gastrointestinaltrakts und krampfartigen Beschwerden im Bereich der ableitenden Harnwege.
Daneben werden Pestwurz-Zubereitungen z. B. bei der Migräneprophylaxe eingesetzt. Eine mögliche Wirksamkeit bei primärer Dysmenorrhoe (Regelschmerzen) oder eine verbesserte Ventilation bei Asthma bronchiale wurde ebenfalls festgestellt.
Ein standardisierter CO2-Extrakt (Ze 339) aus den Blättern wird als Antiallergikum eingesetzt; durch wissenschaftliche Studien wurde seine Wirksamkeit belegt. In Deutschland ist seit 2009 kein Pestwurz-Präparat mehr auf dem Markt, nachdem die Zulassung für das Präparat Petadolex erloschen ist.
Die Pestwurz ist z.B. in Zeller Entspannungs Filmtabletten enthalten, in Kombination mit Passionsblume, Baldrian und Melisse.
ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG
Nur in Form von standardisierten Extrakten als Fertigarzeimittel (Kapseln, Dragees).
Tesalin® N Filmtabletten und zeller heuschnupfen Filmtabletten (Antiallergikum gegen Heuschnupfen) sind in der Schweiz ohne ärztliche Verordnung in Apotheken und Drogerien erhältlich.
Die Tagesdosis darf nie mehr als 1 µg Pyrrolizidinalkaloide mit 1,2 ungesättigtem Necingerüst einschliesslich ihrer N-Oxide enthalten.
STATUS
- Kommission E: - positive Bewertung (Wurzel); negative Bewertung für die Blätter!
- ESCOP: - nicht bearbeitet
- HMPC: - nicht bearbeitet
HOMÖOPATHIE
Petasites hybridus; Pestwurz, die gegen Ende der Blütezeit geernteten, oberirdischen Pflanzenteile.
Anwendungsgebiet: Krämpfe der glatten Muskulatur.
PESTWURZ IM GARTEN
Wer die Pflanze im Garten haben will muss sich das gut überlegen, denn sie kann sich ohne Rizomsperre über den Wurzelstock imposant vermehren. Die Heilpflanze liebt feuchte, kalkhaltige Böden an einem sonnigen bis halbschattigen Standort. Die imposante Pflanze ist absolut winterhart und braucht keine weitere Pflege. Bei mir im Garten wächst die Pestwurz neben Seidelbast, Haselwurz und Bärlauch.
SONSTIGES
Griechen und Römer schätzten die Pestwurz im 1. Jahrhundert gegen bösartige Geschwüre ebenso wie die Menschen im Mittelalter, die sie gegen die Pest einsetzten. In der Volksmedizin werden verschiedene Zubereitungen der Pflanze auch als schleimlösende Hustenmittel und als Kühlmittel bei Insektenstichen eingesetzt. Im 19. Jahrhundert wurde erstmals die spasmolytische und analgetische Wirkung erkannt und die Pflanze bzw. deren Zubereitungen wurden für die medizinische Anwendung neu entdeckt.
Letzte Änderung: 31.03.2024 / © W. Arnold