Rizinus, Wunderbaum - Ricinus communis
Ricinus communis (syn. Croton spinosus, Palma christi,
Ricinus africanus, R. inermis, R. laevis, R. lividus, R. persicus, R.
speciosus, R. spectabilis, R. viridis, R. vulgaris).
Rizinus (syn. Christuspalme, Hundsbaum, Läusebaum, Römische Bohne, Wunderbaum).
Verwendet wird das fette Öl (Rizinusöl) das aus den Samen des Wunderbaums durch Kaltpressung gewonnen wird. Das Öl wird zur kurzfristigen Anwendung bei akuter und habitueller Verstopfung und bei Erkrankungen, bei denen eine zuverlässige Entleerung des Darms erwünscht ist, angewendet. Das Glykoprotein Ricin (Rizin), das in den Samen vorkommt, ist im Rizinusöl nicht enthalten.
VORKOMMEN
Ursprünglich wohl aus Afrika oder Indien stammend, ist die Pflanze heute
weltweit in den Tropen und Subtropen verbreitet sowie in der
gemässigten Zone, soweit der Maisanbau reicht. Sie kommt wild, meist
aber in Kultur vor, bis in 2000 m Höhe, ist jedoch sehr
frostempfindlich. Bei uns fast nur als Zierpflanze in Gärten kultiviert,
blüht im Juli und August.
Ricinus communis wird seit den ältesten Zeiten
kultiviert, wie Funde von Samen in ägyptischen Gräbern zeigen. Sie
bevorzugt fruchtbare Böden mit rel. viel Feuchtigkeit, gedeiht aber auch
auf armen Böden und kann Trockenperioden überstehen. Heute sind die
Hauptanbauländer Indien (1992: 650.000 t Samen), China (290.000 t) und
Brasilien (100.000 t), ferner die GUS (Ukraine und nördl. Kaukasus),
Paraguay, Thailand, Äthiopien und andere. In Europa nur unbedeutende
Ernten in Rumänien und dem ehemaligen Jugoslawien. Die Weltproduktion
liegt bei 1,2 Mio t.
MERKMALE
Man unterscheidet 16 Varietäten nach Form, Grösse und Bestachelung der
Früchte und Form, Grösse und Farben der Samen sowie nach der Stärke der
Bereifung von Spross und Blättern.
In den gemässigten Klimazonen wächst die Pflanze als
einjährige krautige Pflanze, in den Tropen als mehrjährige Pflanze.
Diese Pflanze ist eine schnellwüchsige Pflanze und wird unter idealen
Bedingungen innerhalb von drei bis vier Monaten bis zu fünf Meter hoch.
In tropischem Klima erreicht sie nach mehreren Jahren Wuchshöhen von bis
zu 13 Metern und bildet einen verholzten Stamm. Die wechselständig
stehenden Laubblätter sind 30 bis 70 Zentimeter gross, glänzend, grün
(bei einigen Sorten rötlich bis tief-purpurfarben), haben lange
Blattstiele und sind fünf- bis elflappig handförmig. Der Wunderbaum
blüht von August bis Oktober. Es werden grosse, endständige rispige
Blütenstände gebildet. Die Pflanzen sind einhäusig getrenntgeschlechtig
(monözisch). Die eingeschlechtigen Blüten sind unscheinbar und grüngelb.
Es werden rotbraune, mit weichen Stacheln besetzte, dreifächerige
Kapselfrüchte mit rötlichbraun-marmorierten, bohnenförmigen Samen
gebildet.
DROGEN (verwendete Pflanzenteile)
1. Ricini oleum - (syn. Oleum Castoris, Oleum Palmae Christi, Oleum Ricini); Rizinusöl (syn. Castoröl, Kastoröl), das aus den Samen durch Pressen ohne Wärmezufuhr erhaltene Öl.
2. Ricini semen - (Semen Cataputiae majoris, Semen Palma-Christi, Semen Ricini); Rizinussamen (syn. Castorsamen, Purgierkörner), die reifen Samen.
WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE
1. Ricini oleum - Hauptkomponente ist Triglycerolein (70-77 %), das Triglycerid der
ungesättigten Ricinolsäure, einer 12-Hydroxy-9,10-cis-octadecensäure
(12-Hydroxyölsäure), deren Anteil an der Fettsäureverteilung bei 85-90 %
liegt.
2. Ricini semen - Fettes Öl (42-55 %, Rizinusöl), Proteine, unter anderem. Lectine und
das hochtoxische Glykoprotein Ricin (Rizin), das in den Samen zu etwa 1 - 2% enthalten ist, ferner Alkaloide, unter anderem
Ricinin (Biomarker für Ricinus communis).
PHARMAKOLOGIE
1. Ricini oleum - Infolge Spaltung der Glyceride im Dünndarm durch Lipasen wirkt die
freigesetzte Ricinolsäure ähnlich den Anthranoiden antiabsorptiv und
hydragog. Vermutlich wird durch die Ricinolsäure auch die Synthese von
Prostaglandin E2 angeregt, das wiederum zur vermehrten Sekretion von
Elektrolyten und Wasser in das Darmlumen führt.
2. Ricini semen - Die einst übliche Anwendung der pulverisierten Samen als Breiumschlag
bei entzündlichen Hauterkrankungen, bes. bei Abszessen, ist wegen der
hohen Toxizität der Samen strikt abzulehnen. Die Einnahme von etwa 10
Samen können tödlich für einen Menschen sein. Im Rizinusöl ist das
toxische Ricin nicht enthalten. Ricin hemmt durch Inaktivierung der
Ribosomen die intrazelluläre Proteinsynthese. Wegen des enzymatischen
Charakters des Toxins wird vermutet, dass nach erfolgter Translokation,
ein einziges Molekül des Ricins im Zytosol unweigerlich zum
Zelltod führt.
Rizin ist ein Protein (Molmasse ca. 64 kDa) und besteht aus den zwei Glykoproteinketten A (A für «active») und B (B für «binding»). Die beiden Ketten sind durch eine Disulfidbrücke kovalent gebunden. Die B-Kette ist somit für die Bindung des Toxins auf der Zelloberfläche und die Aufnahme in die Zelle (Endocytose) zuständig. Die A-Kette (N-Glycosidase) gilt als die aktive toxische Komponente.
ANWENDUNG
1. Ricini oleum - Als Abführmittel. Bestanteil diesbezüglicher Fertigpräparate. In Form des raffinierten Rizinusöls auch für Injektionszwecke und Augentropfen. Äusserlich in Zubereitungen bei Hauterkrankungen, unter anderem zur Abdeckung bei Fissuren, oft Bestandteil kosmetischer Präparate sowie in der Technik als Gleit- und Schmiermittel. Ein hydriertes Rizinusöl wird als Castorwachs bezeichnet.
2. Ricini semen - Die Samen dienen hauptsächlich zur Gewinnung von Rizinusöl. Aus dem Presskuchen gewonnene Ricinuslipase wird in der Fettverarbeitung eingesetzt. RCA-120 wird, immobilisiert auf einer Trägermatrix, routinemässig in der Affinitätschromatographie zur Trennung von Oligosacchariden oder Glykopeptiden mit endständigen β-D-Galactose-Resten verwendet.
HOMÖOPATHIE
Ricinus communis HAB 34; die reifen Samen.
Anwendungsgebiet: Durchfallerkrankungen.
RICIN ALS BIOWAFFE
Ricin ist eines der stärksten Gifte biologischer Herkunft. Die weite
Verbreitung der Ricinuspflanze und die einfache Herstellung des giftigen
Glykoprotein machen es zu einer potentiellen biologischen Waffe. Ricin wurde
in das C-Waffenübereinkommen (Chemical Weapons Convention, CWC) aufgenommen.
Es löst sich zwar in Wasser, ist aber fettunlöslich und
daher im Rizinusöl nicht enthalten. Beim Pressen der Samen verbleibt das
Gift somit in den Pressrückständen.
Beim Menschen wirkt weniger als 1 mg Ricin tödlich, wenn
das Gift eingeatmet wird. In etwa die gleiche Dosis ist auch bei
intravenöser oder intramuskulärer Verabreichung tödlich. Bei oraler
Applikation ist das Ricin jedoch wesentlich weniger toxisch als bisher
angenommen. So gibt das CDC (Centers for Disease Control and
Preventation) heute einen LD 50 (oral, Maus) von 20-30 mg/kg an (Link zum entsprechenden Dokument, PDF, 1.07 MB).
Die parenterale (subkutan oder intravenös) bzw. inhalative
Aufnahme gilt als wesentlich toxischer als die enterale Aufnahme, da das
Protein durch die Magensäure partiell denaturiert wird und teilweise
auch durch Proteasen abgebaut wird (Referenzierte Literatur, PDF, 662 KB)
RIZINUS IM GARTEN
Ich halte den Rizinus, als attraktive Terrassenpflanze, immer in einem grossen Kübel (50-100 Liter). Die schönen getigerten Samen bekommen sie in jedem Gartenshop. Der Rizinus ist sehr wärmeliebend und sollte daher an einem vollsonnigen Standort stehen. Der Boden muss gut durchlässig (Sand) und sehr nährstoffreich sein. Daher empfiehlt sich die Aufwertung des Bodens mit einem Langzeitdünger. Im Topf gepflanzt braucht die Pflanze sehr viel Wasser und ab und zu zusätzlich etwas Flüssigdünger. So gezogen wird der Rizinus über 3 Meter hoch. Der Wunderbaum ist nicht winterhart, muss also im Herbst in den Kompost gegeben werden. Ich halte die schöne Pflanze auf der Terrasse neben diversen Engelstrompeten, Myrte, Mönchspfeffer und dem Stechapfel.
SONSTIGES
Die Verwendung des Wunderbaumes als Medizinal- und Ölpflanze ist bereits um 1552 v. Chr. im ältesten erhaltenen medizinischen Text, dem altägyptischen Papyrus Ebers, bezeugt, auch wurden Samen der Pflanze in ägyptischen Gräbern gefunden.
Letzte Änderung: 24.04.2024 / © W. Arnold