Engelwurz - Angelica archangelica
Die anerkannte medizinische Anwendung der Angelikawurzel ist die Therapie dyspeptischer Beschwerden wie leichte Bauchkrämpfe, verzögerte Verdauung, Blähungen und Völlegefühl, sowie Appetitlosigkeit und Magersucht. Auch bei Bronchitis wird die Angelikawurzel empfolen.
Angelica archangelica (syn. Angelica major, A. officinalis, A. sativa, Selinum archangelica);
Engelwurz (syn. Angelik, Engelbrustwurz, Gartenangelik, Giftwürze, Heiligenbitter, Heiliggeistwurzel, Theriakwurzel).
VORKOMMEN
Engelwurz ist heimisch im nördlichen Europa. Vorkommen in Mittel- und
Osteuropa, Sibirien, Kaukasus und dem Ural. In manchen Ländern Europas
(Frankreich, Deutschland) wird er kultiviert und ist z. T. auch
verwildert. Angelica archangelica wächst auf feuchten Wiesen, Flussufern, Gebüschen und lichten Wäldern, aber auch an Sandstränden.
Engelwurz verlangt einen kräftigen, humusreichen Boden, der
allerdings nicht frisch gedüngt sein sollte. Die Pflanze verträgt keine
Staunässe. Vermehrt wird die Pflanze im allgemeinen durch Samengut. Die
Samen verlieren sehr rasch an Keimfähigkeit und müssen deshalb noch im
Jahr der Ernte wieder ausgesät werden.
MERKMALE
Engelwurz ist eine kräftige zwei- bis vierjährige Pflanze mit grossen gefiederten Blättern und aufgeblasener Blattscheide. Der Engelwurz erreicht Wuchshöhen von 1,2 bis 3 m und besitzt ein dickes Rhizom, das bei Wildpflanzen rübenförmig ausgebildet ist. Die Stängel stehen aufrecht und sind zumindest an der Basis stielrund. Sie sind schwach gerillt, innen markig-hohl, oben verzweigt und schmecken würzig. Die kleinen grünlichen Blüten stehen in grossen Dolden.
DROGEN (verwendete Pflanzenteile)
Angelicae folium (syn. Folium Angelicae); Angelikablätter, die getrockneten Blätter.
Angelicae fructus (syn. Fructus Angelicae, Semen Angelicae); Angelikafrüchte (syn. Angelikasamen, Engelwurzsamen), die getrockneten Früchte.
Angelicae radix (syn. Radix Angelicae, Radix Angelica sativae, Radix Syriaca); Angelikawurzel (syn. Brustwurz, Engelwurz, Gartenangelika, Theriakwurzel, Waldbrustwurz), die unterirdischen, ganzen, unterhalb 40 °C getrockneten Teile der Pflanze.
WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE
Angelicae folium - äther. Öl, ca. 0,1 % mit β-Phellandren (bis zu 40 %), α-Pinen und β-Pinen als Hauptkomponenten; ausserdem Furanocumarine, unter anderem Angelicin, Bergapten, Imperatorin und Oxypseudanin, jedoch kein Osthol.
Angelicae fructus - durchschnittlich 1,5 % ätherisches Öl, das eine ähnliche Zusammensetzung wie das ätherische Öl der Wurzel aufweist. Letzteres ist allerdings reicher an duftbestimmenden Lactonen (z. B. 15-Oxypentadecenlacton), während das ätherische Öl der Früchte eine höhere Anzahl Terpenbestandteile enthält. Im Fruchtöl wurden nachgewiesen:
- Monoterpene: α-Pinen (11,4 %), β-Phellandren als Hauptbestandteile, weiterhin Bomeol, Camphen, Carvon, 1,8-Cineol, p-Cymen, Limonen, Myrcen, β-Pinen, y-Terpinen, und Andere.
- Sesquiterpene: β-Bisabolen (1,5 %), β-Caryophyllen (2,4 %), Humulen, ferner β -Copaen und β-Ylangen.
- Carbonsäuren: Angelicasäure, Oxymyristinsäure.
- Cumarine: Bergapten, Imperatorin, Oxypeucedanin Xanthotoxin und Xanthotoxol sind manchmal im Öl zu finden (ist abhängig von den Destillationsbedingungen).
- Phthalate: Hexylmethylthalat.
Weitere Inhaltsstoffe: Glyceridöle (17 bis 20 %), β-Sitosterol, Stigmasterol, Petroselinsäure (Δ-6-Octadecensäure).
Angelicae radix - äther. Öl (0,35 - 1 %), überwiegend aus Monoterpenen, wenig Sesquiterpenen sowie den geruchsbestimmenden makrocyclischen Lactonen bestehend, weitere Angaben zur Zusammensetzung des ätherischen Öls siehe bei Angelicae fructus. Ferner ein umfangreiches Spektrum an Cumarinen, z.B. Osthenol, Furanocumarinen, unter anderem Angelicin und Heraclenol und Dihydrofuranocumarinen, unter anderem Archangelicin, Archangelin.
Weitere Bestandteile sind Pflanzensäuren, unter anderem Angelica- und Fumarsäure, die Phenolcarbonsäuren Chlorogensäure und Kaffesäure sowie Harze und Flavanone.
PHARMAKOLOGIE
Es sind Vergiftungen bei der Anwendung grösserer Dosen von Radix- bzw. Oleum Angelicae zur Abtreibung bekannt.
Wirkungen auf die Haut: Die fluoreszierenden Furocumarine
als phototoxische Substanzen können auf der Haut eine Dermatitis
bewirken, die schwere Störungen des Allgemeinbefindens zur Folge haben
kann.
ANWENDUNG
Anerkannte medizinische Anwendung (nur Angelikawurzel) der Kommission E:
- Anwendungsgebiete: Appetitlosigkeit; dyspeptische Beschwerden wie leichte Magen-Darm-Krämpfe, Völlegefühl, Blähungen.
- Wirkungen: spasmolytisch; cholagog; Förderung der Magensaftsekretion.
- Gegenanzeigen: Nicht bekannt.
- Nebenwirkungen:
Die in Angelikawurzel enthaltenen Furocumarine machen die Haut lichtempfindlicher und können in Zusammenhang mit UV-Bestrahlung zu Hautentzündungen führen. Für die Dauer der Anwendung von Angelikawurzel oder deren Zubereitungen sollte daher auf längere Sonnenbäder und intensive UV-Bestrahlung verzichtet werden. - Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Nicht bekannt.
- Art der Anwendung: Zerkleinerte Droge sowie andere galenische Zubereitungen zum Einnehmen.
- Dosierung: Soweit nicht anders verordnet:
- Tagesdosis: 4,5 g Droge;
- 1,5-3 g Fluidextrakt (1:1);
- 1,5 g Tinktur (1:5); Zubereitungen entsprechend.
- 10-20 Tropfen ätherisches Öl.
Anerkannte medizinische Anwendung (nur Angelikawurzel) nach ESCOP:
Dyspeptische Beschwerden wie leichte Bauchkrämpfe, verzögerte Verdauung, Blähungen und Völlegefühl; Appetitlosigkeit, Magersucht, Bronchitis.
Verwendung finden vor allem die Wurzeldroge (Angelicae radix), die Bitterstoffe und ätherische Öle enthält, also zu den Amara-Drogen gehört. Alkoholische Auszüge oder Tees werden gegen Appetitlosigkeit, leichte Magen- und Darmkrämpfe, Völlegefühl und Blähungen eingesetzt. Engelwurz wirkt karminativ, antimikrobiell und regt die Magensaft- und Bauchspeicheldrüsen-Sekretion an.
Volksmedizinische Verwendung:
In der Volksmedizin wird das ätherische Öl (Angelicae aetheroleum)
aus den Wurzeln innerlich gegen Schlaflosigkeit und äusserlich gegen
Rheuma und Neuralgien angewendet (ohne Wirkungsnachweis). In grösseren Mengen ist das ätherische
Öl toxisch.
Das Öl aus Wurzeln und Samen ist Bestandteil von Kräuterlikören und Bitterschnäpsen, wie Boonekamp, Bénédictine und Chartreuse. Kandierte Stängel werden als Süssigkeit und als Verzierung für Backwaren angeboten. Engelwurz ist auch Bestandteil des Schneeberger Schnupftabaks.
Mit den Früchten werden Wermutwein, Gin und Chartreuse aromatisiert.
ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG
Angelikawurzel und die aus der Droge hergestellten Extrakte sind in
zahlreichen Fertigarzneimitteln allein oder in Kombination mit anderen
Drogen erhältlich.
So ist In Iberogast® neben der Bitteren Schleifenblume, Kümmel, Mariendistel, Melisse, Pfefferminze, Schöllkraut, Süssholz und Kamille auch der Engelwurz enthalten.
Produkte Schweiz:
- Iberogast, Tinktur (Bayer (Schweiz) AG)
- Klosterfrau Melissengeist, Alcoholat (Melisana AG)
- Spiritus Melissae comp, Tropfen (Weleda AG)
STATUS
- Kommission E: - positive Bewertung
- ESCOP: - positive Bewertung
- HMPC: - nicht bearbeitet
HOMÖOPATHIE
1. Angelica archangelica, äthanol. Decoctum HAB1, die frische Wurzel.
2. Angelica archangelica var. archangelica spag. Zimpel HAB1, die ganze, frische, blühende Pflanze.
Anwendungsgebiete: Anthroposophische Therapierichtung.
ENGELWURZ IM GARTEN
Die Engelwurz ist eine imposante, zweijährige Staude die entsprechend viel Platz braucht (etwa 1x1 m). Im ersten Jahr entwickelt sich nur eine fast rübenförmige Wurzel, die Blätter austreibt. Im zweiten Jahr wird ein ca. fünf Zentimeter dicker, schwammiger Wurzelstock gebildet, der mit vielen, zum Teil zopfigen Wurzeln besetzt ist. Aus ihm entwickelt sich dann die stattliche Pflanze mit den Blütendolden.
Engelwurz liebt einen feuchten humosen, nährstoffreichen Boden und einen sonnig bis halbschattigen Standort. Trockenheit verträgt der Engelwurz nicht. Zur Anpflanzung besorgt man sich am besten in der Kräutergärtnerei Jungpflanzen. An zusagenden Plätzen sät sich der Engelwurz dann von selbst aus. Er kann auch in einem grossen Topf gehalten werden, der beste Aussaattermin ist im Spätsommer bzw. Herbst.
Frost macht der Engelwurz nicht viel aus. Man sollte sie nur gut gegen Schnecken schützen. Die Engelwurz darf nicht 2x am selben Ort gesät werden.
SONSTIGES
Als Pflanze der nördlichen Breitengrade war die Arznei-Engelwurz den
antiken Autoren des Mittelmeerraumes nicht bekannt. Erstmals erwähnt
wurde sie im nordeuropäischen Galgant-Gewürz-Traktat aus dem 13./14. Jh.
Eine südwestdeutsche Handschrift dieses Drogentraktats enthält eine
Version in alemannischer Sprache. Folgende Wirkungen wurden der
Arznei-Engelwurz zugeschrieben: Abwehr von „Zauber und Gift“, Reinigung
der Brust (daher der Name „Brustwurz“), Heilung von Bissen wütender
Hunde, Verdauungsanregung.
Eine gedruckte Abhandlung über die Arznei-Engelwurz erschien
erstmals im Kleinen Destillierbuch des Hieronymus Brunschwig. Seine
Beschreibung zeugt davon, dass er mit dieser Arzneipflanze auch aus
seiner Praxis vertraut war. Er unterschied zwischen der Arznei-Engelwurz
und der Wald-Engelwurz, die er „bůchalter“ nannte. In Bezug auf die
Anwendung der Arznei-Engelwurz folgte er dem Galgant-Gewürz-Traktat.
Letzte Änderung: 09.01.2024 / © W. Arnold