Rainfarn - Tanacetum vulgare


Trotz der Vergiftungsgefahr wurde früher der Rainfarn bei Bandwurmbefall, Stoffwechsel- und Verdauungsproblemen eingenommen. Die Droge ist heute obsolet.

Tanacetum vulgare (syn. Chrysanthemum tanacetum, Chrysanthemum vulgare, Pyrethrum tanacetum, Tanacetum officinarum)

Rainfarn (syn. Dänneblomm, Knöpfchen, Raingerte, Wurmfarn (nicht zu verwechseln mit dem echten Wurmfarn Dryopteris filix-mas!), Wurmkraut, Wurmtod.

Rainfarnpflanzen (Tanacetum vulgare)

Rainfarn-Blüten (Tanacetum vulgare)

VORKOMMEN

Der Rainfarn hat eine eurasische Verbreitung. Die Pflanze ist mittlerweile ein Neophyt in den gemässigten Gebieten der übrigen Erdteile. Der Rainfarn wächst häufig und gesellig in staudenreichen Unkrautfluren, an Wegen, Schuttplätzen, Dämmen, gern an Brandstellen, auch an Ufern (Stromtalpflanze), auf sommerwarmen humosen Böden. Nach Ellenberg ist er eine Lichtpflanze, subozeanisch verbreitet, ein Frischezeiger, mässig stickstoffreiche Standorte anzeigend und eine Klassencharakterart ausdauernder Stickstoff-Krautfluren (Artemisia vulgaris). Der Rainfarn ist ein Kulturbegleiter und Gartenflüchtling.

MERKMALE

Der Reinfarn wird 40–120 cm hoch, ist nur oben verzweigt, riecht aromatisch und hat einen etwas bitteren Geschmack. Die Blätter fiederschnittig, jederseits mit 7–15 schmal-lanzettlichen, eingeschnitten-gezähnten Abschnitten. Die Blütenköpfe sind goldgelb, ohne Zungenblüten und in dichten, doldigen Rispen angeordnet. Sie haben einen Durchmesser von ca. 1 cm. Die Hüllblätter sind hell berandet. Die Früchte sind 1,5–2 mm lang, meist 5kantig und mit kurzem, gezähntem Rand.

DROGEN (verwendete Pflanzenteile)

Tanaceti flos - (syn. Chrysanthemi vulgaris flos, Flores Tanaceti) - Rainfamblüten, Wurmkrautblüten.

Tanaceti herba - (syn. Chrysanthemi vulgaris herba, Herba Tanaceti) - Wurmfarnkraut, Wurmkraut. Die vorsichtig getrockneten, während der Blütezeit (Juli bis Oktober) gesammelten oberirdischen Teile.

WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE

Tanaceti herba:

Ätherisches Öl:
Die frische Pflanze enthält bis zu 0,3 % ätherisches Öl; luftgetrocknete Blätter enthalten bis 0,9 %, Blütenköpfchen bis 1,8 %; der Ölgehalt der Stengel liegt unter 0,01 %. Das ätherische Öl besteht aus etwa 50 Komponenten, von denen ca. 40 identifiziert worden sind. Für die Wirkung relevant sind insbesondere Borneol, Campher, 1,8- Cineol, Dihydrocarvon, β-Thujon und α-Thujon, daneben Artemisiaketon, Bornylacetat, Camphen, Carveol, Chrysanthenol, Chrysanthenon, Limonen, Lyratol, Lyratylacetat, α-Pinen, Pinocarvon, Piperiton, Sabinen und Weitere.

Inhaltsstoff des Rainfarns

Sesquiterpene:
Aus dem ätherischen Öl wurden die Ketone (+)-Vulgaron A (7,6 %) und (+)-Vulgaron B (11,9%) neben α-Bergamoten, y-Cadinen, 3-Cadinen und weiteren Stoffen isoliert. Die Droge enthält ferner die nichtflüchtigen Sesquiterpenalkohole Tanacetol A und Tanacetol B.

Inhaltsstoffe des Rainfarns

Sesquiterpenlactone:
Bisher sind mehr als 20 Sesquiterpenlactone identifiziert worden. Sie gehören den Germacranoliden, Eudesmanoliden und Guaianoliden an.

Monoterpenglykoside:
Die Monoterpenalkohole kommen genuin meistens als nichtflüchtige Glykoside vor.

Flavonoide:
Identifiziert wurden die Aglykone Acacetin, Apigenin, Axillarin, Chrysoeriol, Diosmetin, Hispidulin, Isorhamnetin, Jaceidin, Jaceosidin, Luteolin, Orientin und Quercetin sowie die Glykoside Apigenin-7-O-glucosid, Cosmosiin, Cynarosid, Luteolin-7-O-glucosid, Quercimeritrin und Tilianin.

Cumarine:
Isofraxidin und Scopoletin wurden nachgewiesen.

Phenolcarbonsäuren:
Chlorogensäure, Isochlorogensäure und Kaffeesäure.

Sterole und Triterpene:
33 % des UA bestehen aus Sterolen und Triterpenen. Die Sterole setzen sich aus 63 % β-Sitosterol, 22 % Stigmasterol, 8 % Campesterol und 5 % Cholesterol zusammen. Der Triterpenanteil besteht aus α-Amyrin, β-Amyrin, Taraxasterol und Pseudotaraxasterol.

Kohlenhydrate:
Die Blätter enthalten sehr wenig Vibumitol. Der Pektinkomplex der Blüten besteht aus 2 verschiedenen Polysacchariden I und II im Verhältnis 6:1. Polysaccharid I setzt sich zus. aus 70 % Galacturonsäure sowie Galactose, Glucose, Arabinose, Xylose und Rhamnose (2:1:2:2:1). Polysaccharid II besteht aus 20 % Galacturonsäure sowie Galactose, Glucose, Arabinose, Xylose und Rhamnose (10:8:3:1:2). Polysaccharid II gibt bei der weiteren Fraktionierung Polysaccharid III mit 30 % Uronsäure sowie Galactose, Glucose, Arabinose, Xylose und Rhamnose (9:5:2:1:4) und Polysaccharid IV mit 18 % Uronsäure sowie Galactose, Glucose, Arabinose, Xylose und Rhamnose (8:7:2:1:1).

Thiophene:
Wie Pyrethrum enthält auch die handelsübliche Droge Tanaceti herba rel. grosse Mengen an phototoxischen Di- und Terthiophenen (136 pg/g), davon über 80 pg/g 5-(4-Acetoxy-1-butenyl)-2,2'-bithenyl.

Sonstige Inhaltsstoffe:
Aus frischen Wurzeln wurden sehr wenig Anthracen neben Pyren und Fluoranthren isoliert. In Gewebekulturen wurden Carotinoide nachgewiesen. Das ätherische Öl enthält anscheinend auch das Phenylpropanderivat Elemicin (siehe Muskatnuss). In den Blüten finden sich Tannine vom Catechin- und Leukoanthocyanintyp. Aus dem Kraut wurden Stearinsäure und n-Decylglucosid isoliert.

Tanaceti flos - Ätherisches Öl mehr als 0.8%, ansonsten siehe Tanaceti herba.

PHARMAKOLOGIE

Eine neuere Studie zeigt, dass Extrakte aus dem Rainfarn in der Lage sind in vitro Herpesviren zu hemmen. Für den antiviralen Effekt scheinen unter anderem die darin enthaltenen Substanzen Isochlorogensäure (3,5-Dicaffeoylquinic acid (3,5-DCQA)) und Axillarin verantwortlich zu sein.

ANWENDUNG (Kommission E)

Rainfarnzubereitungen werden als Anthelminthicum, bei Migräne, Neuralgie, Rheuma, Meteorismus und Appetitmangel angewendet. Die Wirksamkeit bei den beanspruchten Anwendungsgebieten ist nicht belegt.

Risiken:
Rainfarn enthält ätherisches Öl, das in der Regel thujonhaltig ist. Thujone besitzen neurotoxische Eigenschaften. Bei missbräuchlicher Verwendung grosser Mengen der Droge oder des ätherischen Öls als Abortivum wurden die folgenden Vergiftungssymptome beobachtet: Erbrechen, Leibschmerzen, Gastroenteritis, starke Rötung des Gesichts, dann bei völliger Bewusstlosigkeit starke klonisch-tonische Krämpfe, starke Beschleunigung der Atmung und unregelmässige Herztätigkeit, Mydriasis und Pupillenstarre, Uterusblutungen, u. U. Abort, Nierenschädigung, Leberschädigung. Die letale Dosis des ätherischen Öles beträgt beim Menschen 15-30 g. Bei unkontrollierter Anwendung von Rainfarn können in Abhängigkeit von der verwendeten Droge Thujonmengen aufgenommen werden, die auch bei normaler Dosierung toxisch sind. Untersuchungen zur Toxizität der thujonfreien Chemotypen liegen nicht vor.

ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG (Kommission E)

Da die Wirksamkeit von Rainfarnzubereitungen bei den beanspruchten Anwendungsgebieten nicht belegt ist, kann angesichts der Risiken eine therapeutische Verwendung nicht vertreten werden.
Die Droge ist heute obsolet.

STATUS

HOMÖOPATHIE

Chrysanthemum vulgare HAB1, die frischen, oberirdischen Teile blühender Pflanzen ohne die verholzten Stengel.
Anwendungsgebiete: nervöse Erschöpfung, Spasmen der Muskulatur und der Hohlorgane.

RAINFARN IM GARTEN

Der Rainfarn ist ein Sonnenanbeter und fühlt sich in der Sonne oder an einem teilsonnigen Standort wohl. Hier benötigt er eher nährstoffreichen, feuchten, durchlässigen aber nur mässig stickstoffreichen Boden. Der Rainfarn breitet sich stark aus, deshalb müssen rechtzeitige Wurzelausläufer entfernt werden. Der Rainfarn stellt an uns Hobbygärtner keine besonderen Ansprüche. Er ist mehrjährig und winterfest und sehr widerstandsfähig.

Rainfarn (Tanacetum vulgare)

SONSTIGES

In den antiken Schriften ist der Rainfarn nicht zu finden. Die erste schriftliche Überlieferung findet sich im Capitulare Karls des Grossen. Rainfarn wurde früher bei Wurmerkrankungen eingesetzt, allerdings rufen grössere Mengen als 1 bis 3 Gramm Rainfarn Vergiftungserscheinungen hervor, so dass man heute im Falle von Wurmerkrankungen auf andere, wirkungsvollere und harmlosere Mittel zurückgreift. Verbreitet war auch seine Verwendung gegen Ungeziefer.

Letzte Änderung: 24.04.2024 / © W. Arnold