Rosskastanie - Aesculus hippocastanum
Die anerkannte medizinische Anwendung von Extrakten aus den Samen der Rosskastanie ist die Therapie bei chronisch venöser Insuffizienz (Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, Wadenkrämpfe, Juckreiz, Beinschwellungen) und bei Krampfadern.
Aesculus hippocastanum (syn. Aesculus castanea, Castanea equina, Hippocastanum vulgare);
Gemeine Rosskastanie (syn. Weisse Rosskastanie, Pferdekastanie, Rosskastanie, Wilde Kastanie).
VORKOMMEN
Heimisch ist die Gewöhnliche Rosskastanie auf der Balkanhalbinsel, vor allem in Einzelvorkommen in den Mittelgebirgen Griechenlands, Albaniens und Mazedoniens. Sie wird seit Jahrhunderten auch in Mitteleuropa kultiviert und ist verwildert bis zu den Britischen Inseln, Dänemark, Skandinavien und Russland vorkommend.
MERKMALE
Die Rosskastanie ist ein bis zu 30 m hoher Baum. Die Blätter sind
gefingert, mit 5–7 Teilblättern. Diese Teilblätter sind
verkehrt-eilanzettlich, fein gezähnt und kurz zugespitzt und bis über 20
cm lang. Die Blüten sind in grossen, aufrechten Trauben angeordnet.
Die
Frucht ist kugelig, grün, stachelig mit einem Durchmesser von bis zu 6
cm. Die Samen sind glänzend braun und haben einen hellen, matten
Nabelfleck. Der Durchmesser der Samen kann bis zu 4 cm betragen.
DROGEN (verwendete Pflanzenteile)
1. Hippocastani folium (syn. Folium Hippocastani); Rosskastanienblätter, die getrockneten Blätter.
2. Hippocastani semen (syn. Semen Castaneae equinae, Semen Hippocastani); Rosskastaniensamen, die getrockneten, reifen Samen.
WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE
1. Hippocastani folium - Saponine, Cumarine (unter anderem Aesculin und Aesculetin), Flavonoide (z.B. Quercetin) und Kaffeesäurederivate.
2. Hippocastani semen - Etwa 3 bis 8 % Saponine, die vor allem Glykoside des Barringtogenols C
und des Protoaescigenins sind. Genau handelt es sich um ein als Aescin bezeichnetes, aus zahlreichen Einzelkomponenten bestehendes Gemisch
acylierter Verbindungen. Dominierende Komponenten sind die beiden
isomeren Formen des Aescins, das β-Aescin und das Kryptoaescin.
Weitere Inhaltsstoffe:
Flavonoide, darunter vor allem Glykoside des Quercetins
und des Kämpferols. Im Weiteren Gerbstoffe u.a. (-)-Epicatechin-Trimere,
Stärke, Fettes Öl und Eiweisse.
PHARMAKOLOGIE
Hauptinhaltsstoff in Rosskastaniensamenextrakt, dasTriterpenglykosid-Gemisch Aescin, wirkt in verschiedenen experimentellen Modellen antiexsudativ (Hemmung des Austritts von Flüssigkeit aus Gefässen) und gefässabdichtend. Es bestehen Hinweise, dass Rosskastaniensamenextrakt die bei chronischen Venenerkrankungen erhöhte Aktivität lysosomaler Enzyme verringert, so dass der Abbau von Glykokalyx (Mukopolysaccharide) im Bereich der Kapillarwand verhindert wird. Durch Senkung der Gefässpermeabilität wird die Filtration kleinmolekularer Proteine, Elektrolyse und Wasser in das Interstitium verhindert.
Gegenüber Placebo wurde in humanpharmakologischen Untersuchungen eine signifikante Reduktion der transkapillären Filtration und in verschiedenen randomisierten Doppelblindstudien bzw. Cross-over-Studien eine signifikante Besserung von Symptomen der chronischen Veneninsuffizienz (Müdigkeits-, Schwere- und Spannungsgefühl, Juckreiz, Schmerzen und Schwellungen in den Beinen) nachgewiesen.
Ähnliche Wirkungen bei chronisch-venöser Insuffizienz und ähnlichen Beschwerden haben Extrakte aus:
ANWENDUNG
Anerkannte medizinische Anwendungen (Kommission E):
1. Hippocastani folium - Da die Wirksamkeit bei den diversen beanspruchten Anwendungsgebieten nicht belegt ist, kann eine therapeutische Anwendung nicht befürwortet werden.
2. Hippocastani semen:
- Anwendungsgebiete: Behandlung von Beschwerden bei Erkrankungen der
Beinvenen (chronische Veneninsuffizienz), zum Beispiel Schmerzen und
Schweregefühl in den Beinen, nächtliche Wadenkrämpfe, Juckreiz und
Beinschwellungen.
Hinweis: Weitere vom Arzt verordnete nichtinvasive Massnahmen wie zum Beispiel Wickeln der Beine, Tragen von Stützstrümpfen oder kalte Wassergüsse sollten unbedingt eingehalten werden. - Gegenanzeigen: Keine bekannt.
- Nebenwirkungen: Nach Einnahme in Einzelfällen Juckreiz, Übelkeit, Magenbeschwerden.
- Besondere Vorsichtshinweise für den Gebrauch: Keine.
- Verwendung bei Schwangerschaft und Laktation: Keine Einschränkung bekannt.
- Medikamentöse und sonstige Wechselwirkungen: Keine bekannt.
- Dosierung und Art der Anwendung:
Tagesdosis: 100 mg Aescin entsprechend 2 x täglich 250-312,5 mg Extrakt in retardierter Darreichungsform.
Die ESCOP präzisiert die Anwendung folgendermassen: "Bei chronisch venöser Insuffizienz und Krampfadern".
Vom HMPC wurden Rosskastaniensamen für die äusserliche Anwendung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel anerkannt.
ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG
Die Anwendung der Rosskastaniensamen erfolgt in Form von unter standardisierten Bedingungen hergestellten Fertigarzneimitteln, die einen definierten Gehalt an Aescin aufweisen.
Die Extrakte werden in Zubereitungen (neben Gelen und Salben) in Form von Tabletten, Dragées, Kapseln, Tinkturen und Tropfen angewendet (z.B. Aesculaforce®, Phlebostasin®, Venostasin®). In manchen Zubereitungen werden Rosskastaniensamen mit Ringelblume und Schafgarbe kombiniert.
Als Gel gegen Muskel- und Gelenkschmerzen wird die Droge in Kombination mit Beinwell, Arnika, Pfefferminze und Rosmarin eingesetzt.
In Aesculus/Quercus comp., Suppositorien (WALA Schweiz) ist neben Rosskastanie auch, Hamamelis, Borretsch, Mariendistel und Eichenrinde enthalten.
STATUS
- Kommission E: - positive Bewertung (nur Rosskastaniensamen)
- ESCOP: - positive Bewertung
- HMPC:- als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (Hippocastani semen)
HOMÖOPATHIE
Aesculus hippocastanum (syn. Aesculus) HAB1, die frischen geschälten Samen.
Anwendungsgebiete: venöse Stauungsbeschwerden mit Folgeerkrankungen, unter anderem Hämorrhoiden, Lenden- und Kreuzbeinschmerz.
Gemäss homöopathischem Arzneimittelbild Tropfen mit Rosskastanie bei Krampfadern, oft kombiniert mit z.B. Seidelbast, Tollkirsche, Zaubernuss oder Mariendistel.
SONSTIGES
Die Rosskastanie war anscheinend den antiken Autoren nicht bekannt. Sie gelangte mit den Osmanen nach Mitteleuropa. Die Rosskastanie wurde rasch zu einem Modebaum, zunächst in fürstlichen Parks und Alleen. Im 19. Jahrhundert wurde sie in Deutschland sehr häufig in den neu entstehenden Volksgärten gepflanzt. So wurde sie zu einem „Charakterbaum der städtischen Grünanlagen“.
Letzte Änderung: 02.05.2024 / © W. Arnold