Medizinalrhabarber - Rheum palmatum
Rheum palmatum (syn. Rhabarbarum palmatum, Rheum laciniatum);
Handlappiger Rhabarber (syn. Kronrhabarberstaude, Medizinalrhabarber)
Die anerkannte medizinische Anwendung der Rhabarberwurzel ist die kurzfristige Behandlung bei gelegentlich auftretender Verstopfung. Äusserlich in Form von Pinselungen bei Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut.
VORKOMMEN
Das Verbreitungsgebiet von Rheum palmatum umfasst die chinesischen Provinzen Gansu, Hubei, Nei Mongol, Qinghai, Shaanxi, Sichuan, Xizang und Yunnan. Rheum palmatum wächst an Abhängen und in Tälern in Höhenlagen von 1500 bis 4400 Meter.
MERKMALE
Die Medizinalrhabarber ist eine grosse, kräftige, ausdauernde, krautige Pflanze,
die Wuchshöhen von 1,5 bis 2 Meter erreicht. Auch die Wurzeln und
Rhizome sind kräftig. Der Stängel ist hohl und gerillt.
Der Blütenstand ist eine grosse Rispe, deren leicht flaumig
behaarte Zweige sich berühren, aber nicht miteinander verwachsen sind.
Der 2 bis 2,5 Millimeter lange Blütenstiel ist unterhalb seiner Mitte
gegliedert. Die Blüten sind klein. Die 6 Blütenhüllblätter sind meist
purpurrot, seltener gelb-weiss gefärbt.
DROGEN (verwendete Pflanzenteile)
Rhei radix (syn. Radix Rhabarbari, Radix Rhei, Rhizoma Rhei);
Rhabarberwurzel (syn. Barbarawurzel, Chinesische
Rhabarberwurzel, Echter Rhabarber), die getrockneten unterirdischen
Teile von Rheum palmatum und R. officinale;
WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE
Anthranoide:
Rhabarberwurzel enthält ein komplexes Gemisch verschiedener Anthranoide, die sich von den 1,8-Dihydroxyanthrachinonen Aloeemodin, Chrysophanol, Emodin, Physcion und Rhein ableiten. Der Gesamtgehalt an Anthranoiden wird nach Hager mit 3 bis 12 % recht unterschiedlich angegeben, was in den unterschiedlichen Bestimmungsmethoden und Mohnassen der jeweilig gewählten Bezugssubstanz begründet ist. Das Anthranoidgemisch besteht schätzungsweise aus 60 bis 80 % Anthrachinonglykosiden, und zwar vorwiegend Monoglucosiden des Rheins, Chrysophanols, Aloeemodins, Physcions und Emodins. Der Anteil der Dianthronglykoside am Anthranoidgemisch wird auf 10 bis
25 % geschätzt.
Anthrachinonaglyka:
Aloeemodin, Chrysophanol, Emodin, Physcion und Rhein.
Anthrachinonglykoside:
Hauptkomponenten sind 1-O- bzw. 8-O-Monoglucoside
des Rheins, Chrysophanols, Aloeemodins, Physcions und Emodins.
Dianthronglykoside:
Aloeemodindianthrondiglucosid, Sennosid A, Sennosid B, Sennosid C, Sennosid D.
Weitere Bestandteile sind Gerbstoffe, Flavonoide (2-3 %), Naphtholderivate, 1-Phenyl-butanon(3)-Derivate der Galloylglucose wie Lindleyin und Isolindleyin.
PHARMAKOLOGIE
Anthrachinone und Anthrachinonderivate werden als Abführmittel
eingesetzt. Sie verhindern die Resorption von Natrium aus dem Darmlumen
und damit verbunden von Wasser, sie wirken also antiresorptiv. Darüber
hinaus können sie den Einstrom von Flüssigkeit zusammen mit Natrium-,
Kalium-, Calcium- und Chlorid-Ionen in den Darm auslösen, somit
sekretagog wirken. Diese Wirkungen führen zu einem weicheren Faeces
sowie zu einer zunehmenden Füllung des Dickdarms. Durch die Dehnung der
Darmwand wird die Darmpassage beschleunigt und die Defäkation
erleichtert. In der Droge liegen die Anthrachinone als Glycoside vor.
Die Zucker werden erst im Dickdarm von Bakterien abgespalten, weshalb
die Drogen ihre Wirkung auch erst hier entfalten. Die zuckerfreien
Aglykone werden auch als Emodine bezeichnet. Sie werden durch die
Darmbakterien zu den entsprechenden Anthronen und Anthranolen reduziert.
Erst diese Substanzen sind die eigentlich wirksamen.
Drogenzubereitungen besitzen, vermutlich auf Grund des
Gehaltes an Aglyka, eine höhere Allgemeintoxizität als die reinen
Glykoside. Untersuchungen zur Genotoxizität der Droge bzw. von
Drogenzubereitungen liegen nicht vor. Für Aloe-Emodin, Emodin, Physcion
und Chrysophanol liegen teilweise positive Befunde vor. Zur
Kanzerogenität liegen keine Untersuchungen vor.
ANWENDUNG
Anerkannte medizinische Anwendungen:
- Das HMPC hat die innerliche Anwendung von Rhabarberwurzel zur kurzfristigen Behandlung gelegentlich auftretender Verstopfung als „medizinisch allgemein anerkannt" akzeptiert.
- ESCOP: kurzfristige Behandlung bei gelegentlich auftretender Verstopfung
- Kommission E: bei Verstopfung.
Früher oft als Abführmittel oft in Kombination mit Aloe, Faulbaum oder Senna verwendet.
Durch klinische Daten belegte Anwendungsgebiete für alkoholische Auszüge der Rhabarberwurzel (Zulassung): äusserlich in Form von Pinselungen bei Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut. Kombiniert mit Salbei auch in Parsenn-Herpes Crème.
ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG
Die Droge ist Bestandteil zahlreicher Arzneifertigpräparate. Die Anwendung als Tee ist nicht zu empfehlen.
STATUS
- Kommission E: - positive Bewertung
- ESCOP: - positive Bewertung
- HMPC: - als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft (Rhei radix)
HOMÖOPATHIE
Rheum HAB 1; Rhabarber, die von
Stengelanteilen, kleineren Wurzeln und dem größten Teil der Rinde
befreiten, getrockneten unterirdischen Teile von Rheum palmatum und R. officinale oder Hybride beider Arten.
Anwendungsgebiete: Durchfallerkrankungen, Verhaltensstörungen bei Kindern, Zahnungsbeschwerden.
MEDIZINALRHABARBER IM GARTEN
Die Medizinalrhabarber wächst gerne an der Sonne, begnügt sich aber auch mit Halbschatten. Der Pflanze reicht normaler Boden, der immer etwas feucht sein soll. Angebaut wird aus Samen oder sie besorgen sich Jungpflanzen in der Kräutergärtnerei. Die Medizinalrhabarber ist eine imposante Pflanze und ansonsten pflegeleicht.
SONSTIGES
Der Medizinalrhabarber ist eine sehr alte Heilpflanze. Sie wird erstmals in einem um 2800 v.Chr. verfassten alten chinesischen Kräuterbuch erwähnt. Auch in der Medizin der Antike fand sie Anwendung. Die Kräuterbücher des 16. und 17. Jh. empfahlen die Droge als mildes Abführmittel.
Letzte Änderung: 24.04.2024 / © W. Arnold