Frühjahrsmüdigkeit - was hilft?
Gibt es sie überhaupt, die Frühjahrsmüdigkeit? Das Durchforsten der wissenschaftlichen Literatur lässt einen daran zweifeln – es bringt nur kärgliche Resultate. In der Erfahrungsmedizin und Naturheilkunde wird das Phänomen dagegen häufiger aufgegriffen, und es finden sich auch prophylaktische und therapeutische Anregungen.
Mit Frühjahrsmüdigkeit werden im allgemeinen unspezifische Beschwerden wie Energiemangel, Unlust bis Antriebslosigkeit und seelische Unausgeglichenheit assoziiert, unter denen in der Übergangszeit vom Winter zu den wärmeren und helleren Jahreszeiten viele Menschen leiden. Auch wenn diese Erscheinung wissenschaftlich im engeren Sinn kaum erforscht ist, gibt es eine Reihe teilweise bereits älterer Arbeiten, die sich mit den Einflüssen der Jahreszeiten auf Stimmung, zirkadiane Rhythmen wie Schlaf oder Körpertemperatur und Sekretionsmuster verschiedener Hormone befassen. Beispiele sind die Untersuchungen von Anderson et al. zu affektiven Störungen im Herbst und Winter [1], von Honma et al. zur saisonalen Variabilität der zirkadianen Rhythmen [2] und von Weitzman et al. zur saisonalen Schwankung der Sekretionsmuster von Kortisol und Wachstumshormon [3]. Eine neuere norwegische Studie mit der allerdings kleinen Zahl von 14 Probanden legt nahe, dass bei gewissen Personen die Adaptation des Melatoninhaushalts beim Übergang von den dunkleren Winter- zu den helleren Frühjahrestagen verzögert erfolgt. Die Betroffenen klagten über vermehrte Müdigkeit, die in erster Linie durch eine schlechtere Schlafqualität erklärt sein dürfte. Zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche hatte sich die Melatoninsekretion wieder auf das Niveau der Kontrollgruppe eingependelt. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die Schlafstörungen und Müdigkeitserscheinungen weitgehend abgeklungen. Anzufügen ist allerdings, dass die Studie in einer subarktischen Region (auf 69° nördlicher Breite) durchgeführt wurde, in der die Veränderungen bezüglich Sonnenscheindauer beim Übergang vom Winter zum Frühling ausgeprägter sind als in unseren Breiten [4].
Auf Untersuchungen dieser Art berufen sich teilweise auch komplementärmedizinische Ansätze, die in der biologischen Umstellung der Körperfunktionen die Hauptursache für die Frühjahrsmüdigkeit vermuten. Eine Schlüsselstellung wird dabei dem Corpus pineale zugeschrieben, das via Melatoninproduktion die Ausschüttung weiterer Hormone beeinflusst. Als weitere «schlapp machende» Faktoren werden die Anpassung an die wärmeren Aussentemperaturen sowie ein möglicher Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen genannt, die sich auf Grund der im Winter weniger frischen Nahrung manifestieren können. Entsprechend richten sich die Empfehlungen darauf, die körpereigenen, insbesondere die hormonellen Muntermacher zu aktivieren und gleichzeitig für genügend Regenerationszeit zu sorgen. Die erste Regel lautet dabei, den hoffentlich einladenderen Temperaturen zu folgen und mehr Zeit im Freien zu verbringen, sich also natürlichem Licht auszusetzen. Bei Übertreibungen kann der Weckeffekt allerdings ins Gegenteil umschlagen – zuviel Sonne macht bekanntlich schlapp. Als günstig werden auch Saunabäder und kalte Duschen eingestuft, welche die Durchblutung fördern und die Nebennierenrinden zur Hormonproduktion anregen. Ein ähnlicher Effekt ist von Herz-Kreislauf-Training wie Joggen, Radfahren, Schwimmen und anderen Ausdauersportarten zu erwarten. Neben genügend Schlaf wird bei vielen Autoren grosses Gewicht auf die Ernährung gelegt: Eher fünf kleinere Mahlzeiten als drei grosse, vollwertige Kost mit vielen Vitaminen und Mineralstoffen sowie genügend Flüssigkeit sind die zentralen Punkte.
In der Phytotherapie und teilweise auch der Homöopathie werden verschiedenen Heilpflanzen ausgeprägte regenerative Kräfte zugeschrieben, die im Rahmen so genannter Frühlingskuren genutzt werden können. Zu erwähnen ist beispielsweise der Löwenzahn (Taraxacum officinale), dem eine besondere Beziehung zur Leber, dem «Energieorgan» nachgesagt wird. Autoritäten wie Kräuterpfarrer Künzle empfehlen, die frischen Löwenzahn-Blätter als Salat oder gedämpft wie Spinat zu geniessen [5]. Auch die Wurzel der Pflanze wird in Form von Tinkturen und Pulvern medizinisch genutzt. Als eine Art Wundermittel wird in gewissen naturmedizinische Kreisen Eleutherococcus senticosus (Taigawurzel), der «sibirische Ginseng» gehandelt. Er soll ein unvergleichliches Tonikum sein, das sowohl die physische als auch geistige Leistungsfähigkeit erhöht. Nicht zuletzt soll die Pflanze auch die männliche Potenz verbessern, weshalb sie auch als pflanzliches Viagra bekannt ist. Als hilfreich zur Bekämpfung der Früjahresmüdigkeit werden auch die Goldrute (Solidago virgaurea) sowie Alfalfa (Luzerne, Medicago sativa) eingestuft.
Letzte Änderung: 11.06.2017 / © W. Arnold