Schweizer Meerträubchen - Ephedra distachya subsp. helvetica
Die anerkannte medizinische Anwendung des Meerträubchens ist die Therapie bei Atemwegserkrankungen mit leichtem Bronchospasmus bei Erwachsenen und Schulkindern. Die Wirkung ist weitgehend durch das Ephedrin bestimmt. Das Kraut hat erhebliche Nebenwirkungen.
VORKOMMEN
Das Schweizer Meerträubel ist auf die Alpen beschränkt. In der Schweiz gibt es Vorkommen im Wallis und im Vinschgau, die auch nach Südtirol reichen. Weitere Vorkommen befinden sich im Aostatal. Fundorte gibt es auch in den französischen Alpen.
MERKMALE
Das Schweizer Meerträubchen ist ein ausdauernder Zwergstrauch (Chamaephyt)
und erreicht Wuchshöhen von 10 bis 25 cm. Die Äste sind graugrün,
stielrund, fein gefurcht und papillös. Sie entspringen einem verholzten,
kriechenden Rhizom. Laubblätter werden nicht gebildet. Es gibt
gegenständige, rund 2 bis 3 mm lange Schuppenblätter, die häufig bis zur
Mitte scheidig miteinander verwachsen sind und von bräunlicher bis
weisser Farbe sind.
Der Gesamtblütenstand ist ährig-traubig, wobei die
Teilblütenstände in Wirteln angeordnet sind. Die weiblichen
Blütenstände sind grünlich, bestehen aus zwei Blüten und sind von
schuppigen Hochblattpaaren umgeben; sie stehen einzeln oder zu zweit an
der Spitze von kurzen Zweigen. Die männlichen Blütenstände sind sitzend
oder kurz gestielt und bestehen aus 8 bis 16 gelben Blüten, die
ährig-knäuelig angeordnet sind. Blütezeit ist April und Mai.
DROGEN (verwendete Pflanzenteile)
Ephedrae herba; Ephedrakraut, das im Herbst gesammelte Kraut.
WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE
Ephedra-Arten enthalten meist, aber nicht immer, herzkreislaufwirksame Alkaloide wie Ephedrin, Norephedrin, Pseudoephedrin, Norpseudoephedrin, Methylephedrin und Methylpseudoephedrin. Die chemische Struktur dieser Phenylethylamine ähnelt der des Adrenalins. Auf Grund ihrer stimulierenden Wirkung ist das Abhängigkeitspotenzial erhöht; Ephedrin unterliegt daher der Verschreibungspflicht. Der Wirkstoffgehalt ist von Pflanze zu Pflanze, aber auch schon von einer Jahreszeit zur anderen unterschiedlich. Es wurden Gehalte von 0,5 bis 49 mg Gesamtalkaloide pro 1 g diverser Ephedrazubereitung in verschiedenen Studien gefunden. Die beiden Hauptalkaloide Ephedrin und Pseudoephedrin machten dabei 70 bis 99 % des Gesamtalkaloidgehaltes aus. Der Ephedringehalt lag zwischen 0 bis 90 % des Gesamtalkaloidgehaltes, der Pseudoephedringehalt zwischen 0,1 bis 99 %.
PHARMAKOLOGIE
Ephedrin ist ein indirektes Sympathomimetikum von schwächerer, jedoch länger anhaltender Wirkung als der direkte Adrenozeptor-Agonist Adrenalin. Es wirkt blutdrucksteigernd, herzstimulierend, bronchienerweiternd und appetithemmend, weshalb es in Arzneimitteln gegen Hypotonie, chronische Bronchitis, Asthmaanfälle und zur Abschwellung der Schleimhäute bei Schnupfen sowie als Bestandteil von Appetitzüglern Verwendung findet.
ANWENDUNG
Kommission E:
- Wirkungen: Im Tierversuch antitussiv. Ephedrin wirkt indirekt sympathomimetisch und zentral stimulierend.
- Anwendungsgebiete: Atemwegserkrankungen mit leichtem Bronchospasmus bei Erwachsenen und Schulkindern.
- Nebenwirkungen: Schlaflosigkeit, motorische Unruhe, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Erbrechen, Miktionsstörungen, Tachykardien; in höherer Dosierung: drastischer Blutdruckanstieg, Herzrhythmusstörungen, Entwicklung einer Abhängigkeit.
- Dauer der Anwendung: Wegen der Gefahr der Tachyphylaxie und der Gewöhnung sind Ephedrakraut-Zubereitungen nur kurzfristig anzuwenden.
Meerträubelkraut ist eine im Europäischen Arzneibuch monografierte pharmazeutische Droge mit einem Gesamtalkaloidgehalt von durchschnittlich 1 bis 2 %, der jedoch stark schwanken kann. Auszüge aus Ephedrakraut (Tee) sind bei Atemwegserkrankungen mit leichtem Bronchospasmus angezeigt, jedoch ist die broncholytische Wirksamkeit unsicher. Ephedrakraut kann man ohne Rezept nicht mehr in deutschen Apotheken erwerben, seit Ephedra-Arten und Zubereitungen daraus mit Wirkung zum 1. April 2006 in die Arzneimittelverschreibungsverordnung aufgenommen wurden und somit rezeptpflichtig wurden. Ephedrinhaltige Arzneimittel sind Bestandteil der Doping-Liste des IOC und des deutschen Sportbundes.
ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG
Dosierung (Kommission E):
Soweit nicht anders verordnet:
Einzeldosis: Erwachsene: Drogenzubereitungen entsprechend 15 bis 30 mg Gesamtalkaloide, berechnet als Ephedrin.
Kinder: Drogenzubereitungen entsprechend 0,5 mg Gesamtalkaloide pro kg Körpergewicht.
Hinweis:
Höchste Tagesdosis:
Erwachsene: Drogenzubereitungen entsprechend 300 mg Gesamtalkaloide, berechnet als Ephedrin.
Kinder: 2 mg Gesamtalkaloide pro kg Körpergewicht.
STATUS
- Kommission E: - positive Bewertung
- ESCOP: - keine Bewertung
- HMPC: - keine Bewertung
HOMÖOPATHIE
Ephedra distachya HAB1 (syn. Ephedra vulgaris), die frischen, oberirdischen Teile.
Anwendungsgebiete: Basedowsche Krankheit.
MEERTRÄUBCHEN IM GARTEN
Das Meerträubchen wächst bei mir im Garten seit vielen Jahren in Begleitung vom Adonisröschen, Diptam und Schlafmohn. Der kleine Strauch liebt den Steingarten und volle Sonne. Die Pflanze ist winterhart und brauch keine besondere Pflege.
Ephedra (Meerträubel) fällt in die Kategorie 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes (GÜG), denn das enthaltene Ephedrin kann als Ausgangsstoff für die Herstellung von Methamphetamin (Crystal-Meth) verwendet werden. Meerträubchen sind deshalb kaum mehr im Handel.
SONSTIGES
Mormonentee ist ein Aufguss aus den Stängeln des Strauches Ephedra nevadensis, der, mit einem Säuerungsmittel wie Zitronensaft aufgegossen, eine erhebliche Menge an Ephedrin aufweist. Der Name stammt von dem ehemaligen Gebrauch unter Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (oft „Mormonen“ genannt), denen neben dem Alkohol auch der Genuss von Kaffee und Schwarztee verboten ist.
Als Ma-Huang zählt Ephedrakraut in der traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zu den Mitteln der Wahl für die Behandlung von Lungen- oder Erkältungskrankheiten. Dazu wird es in der Regel mit weiteren Kräutern kombiniert und als Abkochung angewendet. In Europa wurde Ephedrakraut erstmals 1557 im Kräuterbuch von Adam Lonitzer erwähnt.
Letzte Änderung: 23.04.2024 / © W. Arnold